© Arto Hanciogullari und T. Tsekyi Thür

Andere Schirme

Hier kann man alle anderen Schirme zusammenfassen, die nicht einfach in die klassischen Schirmgruppen von Vesta-, Tulpen- und Kugelschirmen einzuordnen sind. Die Schirme in dieser Klasse sind entweder Glasschirme, die von ihrer Form und Größe, oder auch von ihrer Art der Anbringung in Petroleumlampen Ausnahmen darstellen, oder Schirme, die aus anderen Materialien als Glas angefertigt sind.

 

Andere Arten von Glasschirmen

Eine sehr seltene Form der Glasschirme wurde von dem Berliner Lampenhersteller Wild & Wessel verwendet. Dieser nicht bemalte, aus weißem Milchglas bestehende Schirm ist sehr flach geformt und dient lediglich als noble Halterung für einen Stoffbehang, der dann dem Schirm die außergewöhnliche Ausstrahlung verleiht. Dieser Stoffbehang kann aus weißer Baumwolle mit schöner Lochstickerei oder aus edler Tüllspitze (weiß oder farbig) bestehen. Ich habe eine Variante dieses Schirms mit sehr vermutlich nachträglich angebrachtem Glasperlen-Behang, der auch sehr schön aussieht (L.222). Einen anderen flachen W&W-Schirm habe ich eigenhändig mit einer Stoffbordüre versehen (L.123).

Eine ähnliche, jedoch größere Schirmkonstruktion für eine Standlampe (L.023) habe ich selbst entworfen und ausgeführt. Ich habe einen sehr großen (Ø 46 cm) und recht flachen Schirm aus Milchglas eigenhändig mit einer Stoffbordüre aus weißer Baumwolle mit Lochstickerei ergänzt und diesen mächtigen Schirm mit einem ebenfalls selbstgebauten Schirmreif auf der Lampe installiert. Dieser Schirm harmoniert mit der großen Standlampe weit besser als alle anderen, von mir erprobten Schirme, inkl. amerikanischer Kugelschirme mit 25 cm Bauchdurchmesser.

Aus deutscher Produktion der Jugendstil-Zeit gibt es reizvolle Glasschirme in streng konischer Form, meistens mit Jugendstil- oder Art Déco-Motiven bemalt, die in einem speziell konstruierten Metallgestell aus Messing gehalten werden. Diese Glasschirme wurden später durch Seidenschirme ersetzt, die preisgünstiger und bruchsicher waren. Diese Schirme mit dem Messinggestell sind heute selten zu finden. Mir ist geglückt, eine schöne Kleemann-Lampe mit dem Original-Glaseinsatz zu finden (L.209).

Eine ähnliche Glas/Metall-Konstruktion bedingten die sehr großen Hängelampen, deren recht flach gehaltener Schirm aus mehreren flachen Glasscheiben bestand, die in einer Eisenkonstruktion gehalten wurden. Die verwendeten Glasscheiben waren meistens aus glattem, manchmal auch strukturiertem („Hammerschlag-Dekor“), leicht bis intensiv gefärbtem Glas. Diese Schirme heißen „Fächerschirm“. Auch diese großen Hängelampen sind heute sehr selten zu finden; vermutlich sind sie aufgrund ihrer unhandlichen Größe und Rostanfälligkeit recht früh mit elektrischen Lampen ersetzt worden. In meiner Sammlung befindet sich ein Exemplar von Schubert & Sorge noch mit originalen Glassegmenten (L.273).

Eine ganz andere Art von Glasschirmen benutzen die sog. Hallenlampen (auch Ampeln oder Vestibülen-Lampen genannt). Der Schirm für diese Lampen ähnelt sehr einer Laterne; er ist meistens rund bzw. polygonal (mehreckig), entweder nach oben hin konisch breiter werdend oder mit zylindrischer Gestalt, und oben und unten mit Metallmonturen gefasst. Innerhalb des Glasschirms, von außen völlig unsichtbar, befindet sich die kleine Petroleumlampe (und manchmal sogar eine ganz einfache Kerze). Die Hallenlampen hatten nicht die Aufgabe, einen Raum gut zu beleuchten, sondern in den Eingangshallen, Fluren oder Treppenaufgängen von vornehmen Häusern mit gedämpftem Licht für eine stimmungsvolle Atmosphäre zu sorgen. In meiner Sammlung befindet sich eine Hallenlampe (L.308) deren Herkunft mir unbekannt ist.

Eine etwas seltsame Variante der Glasschirme bilden die Kombinationen aus einem herkömmlichen Vesta-Schirm mit einer darüber ausgebreiteten, größeren Stoffdecke, die oben eine entsprechend große Öffnung für den Glaszylinder aufwies. Diese Stoffdecken waren wohl von Lampenbesitzern selbst entworfene und geschneiderte Zugaben für ihre Lampen, vermutlich um das helle Petroleumlicht noch ein Stückchen zu dämpfen bzw. eine besonders stimmungsvolle, romantische Atmosphäre zu erzeugen. Je nach Geschmack des Besitzers/der Besitzerin waren solche Decken aus farbig bedrucktem Stoff oder aus gehäkelter Spitze angefertigt. Manche hatten an ihren herabhängenden Ecken Verzierungen aus Glasperlen oder Quasten. Auch diese Decken sind im Laufe der Zeit sehr oft verloren gegangen.

 

Andere Arten von Glasschirmen
Obere Reihe, von links: Selbstgebauter, großer Glasschirm mit Stoffbordüre (Ø 46 cm)
Großer Fächerschirm mit Kristallbehang von Schubert & Sorge (Ø 59 cm)
Konischer Glasschirm von C.A. Kleemann mit Messinggestell
Untere Reihe, von links: Handbemalter, hexagonaler Schirm für Hallenlampen
Flachschirm von Wild & Wessel, hier mit Glasperlenbehang verziert (Ø 31 cm)
Glasschirm von Schott mit handgehäkeltem Überhang

 

Schirme aus anderen Materialien

Aus eingangs erwähnten Gründen dominieren die Schirme aus Glas bei den Petroleumlampen bei weitem. Trotzdem gibt es auch Schirme aus anderen Materialien, meistens aus Karton, Metall oder Stoff, die aus unterschiedlichen Gründen Eingang in die Lampenwelt gefunden haben. Die überladenen Seidenschirme waren dem Repräsentationsbedürfnis des Großbürgertums zu verdanken. Kartonschirme waren für die deutschen Klavierlampen geeignet wegen ihres sehr geringen Gewichts. Messing-Schirme waren eine Modeerscheinung der Jugendstilzeit auf der Suche nach unkonventionellen Ausdrucksformen.

Insbesondere deutsche Klavierlampen besaßen einen Kartonschirm, da er sehr leicht war und den seitlich ausstehenden Arm der Lampe nicht unnötig beschwerte. Pergament war dann eine etwas teurere (und auch seltenere) Variante. Die allermeisten dieser Schirme haben die Zeiten nicht überlebt und sind als Originale der damaligen Zeit kaum noch zu finden. Ich habe zwei Kartonschirme in meiner Sammlung, die ich aus eingescannten alten Vorlagen selbst gebaut habe (Lampen L.111 und L.245).

Ein weiteres Material war Metallblech, entweder aus Messing oder aus Eisen, innen weiß lackiert um das Licht stark nach unten zu reflektieren. Solche metallenen Schirme wurden häufiger in den „Lyra“-Hängelampen in größeren Gebäuden (Restaurants, Fabrikhallen, Schulen, etc.) eingesetzt. Es gab aber, insbesondere ganz am Anfang ihrer Entstehung, Metallschirme auch bei den Studentenlampen. Eine Renaissance erlebte der Metallschirm bei den sogenannten „Parisienne“-Lampen, die ausnahmslos einen kuppelförmigen, ornamental gepunzten, manchmal sogar mit farbigen Glascabochons verzierten Messingschirm besaßen (siehe L.107). Diese Schirme hatten fast immer einen Behang aus Glasperlenfransen, der aber oft teilweise zerstört und daher abgenommen wurde. Ohne diesen Fransenbehang sitzen aber diese Schirme zu hoch; die Flamme des Brenners ist dann ungefiltert direkt zu sehen, was keineswegs die Intention des Lampenherstellers war.

Eine Besonderheit sind die sogenannten „Lithophanie“-Schirme. Diese Schirme sind aus weißem, nicht glasiertem Biskuit-Porzellan hergestellt, und zeigen ihre Besonderheit, wenn die Lampe brennt und sie daher von innen mit Licht illuminiert werden. Dann kommen nämlich Bilder (Genre-Szenen und Landschaften des 19. Jahrhunderts) recht plastisch zum Vorschein. Dies erreicht man durch gezielte und gekonnte Änderung der Wandstärke des Porzellans. Bekanntlich ist dünnes Porzellan einigermaßen lichtdurchlässig. Dünnere Stellen lassen mehr Licht durch; diese Partien erscheinen heller als die dickeren Stellen, die weniger Licht durchlassen und daher dunkler erscheinen. Es gibt auch farbig bemalte Lithophanie-Schirme. Insbesondere Deutschland und Frankreich waren federführende Lithophanie-Hersteller im 19. Jahrhundert. Diese Schirme sind heute extrem selten und sehr teuer. Ich bin besonders glücklich, zwei Lampen mit Lithophanie-Schirmen zu besitzen: L.344 mit bemaltem Schirm und L.327 mit unbemaltem Schirm. Es werden heute noch Lithophanie-Schirme hergestellt (vornehmlich in thüringischen Porzellan-Manufakturen), aber nur als Schirme für elektrische Porzellanlampen. Sie stellen keinen Ersatz für die alten Schirme der Petroleumlampen dar.

Eine letzte Gruppe bildeten die Textilschirme, meist aus Samt, Seide oder Baumwolle hergestellt, oft mit Spitzenbordüren und Samtbändern luxuriös ausgestattet. Die meisten Standlampen und auch große Säulenlampen der großbürgerlichen Haushalte waren mit solchen, für den heutigen Geschmack extrem überbordenden Seidenschirmen ausgestattet. Auch diese Schirme haben die Zeiten nicht überstanden; man kann sie heute kaum finden. Ich erlaubte mir, einen größeren Seidenschirm selbst zu kreieren (L.146).

 

Schirme aus unterschiedlichen Materialien außer Glas
Obere Reihe, von links: Selbstgemachter Kartonschirm für eine Klavierlampe
Selbstgemachter Kartonschirm mit Folienfenstern und Quasten
Kleiner Lithophanie-Schirm aus Biskuit-Porzellan
Untere Reihe, von links: Messingschirm mit Glascabochons aus der Jugendstil-Zeit
Messingschirm mit Glascabochons und Fransenbehang bei einer Parisienne-Lampe
Selbstgemachter Textilschirm aus Seide und Spitzen für eine Säulenlampe