© Arto Hanciogullari und T. Tsekyi Thür

Über das Sammeln  -  Eine humoristische Sichtweise, nicht ganz ernst zu nehmen

Man hat von jeher die Menschen in zwei Kategorien gegliedert: JÄGER und SAMMLER. Diese Gruppierung hat einen wirklichen geschichtlichen Hintergrund, etwa so, dass die frühen Menschen wie die Neandertaler und die ganz frühen Familienclans der modernen Menschen sich nur mit dem Jagen und Erlegen der Tiere ernährt haben, und erst später, als sie schon halbwegs sesshaft geworden waren, sich mehr auf das Sammeln von Früchten, Muscheln, Pflanzen und anderen essbaren Dingen gestürzt haben. Wie dem auch sei, man spricht heute noch von“ Jägern und Sammlern“, als ob diese zwei Menschenspezies noch existierten und sich völlig anders verhalten würden.

Und dann, so ab ca. 16. Jahrhundert bis in unsere Tage, tauchte eine dritte Menschensorte auf, der Sammler aus Passion, ja, der eigentliche Sammler schlechthin! Die Bezeichnung „Sammler“ darf nicht irreführen, denn diese Menschen jagen und sammeln zugleich! Sie jagen, um zu sammeln!

Der Sammler aus Passion verhält sich wie ein Jäger der frühen Zeiten. Ja, er ist ein richtiger Jäger! Denn, was unterscheidet den heutigen Sammler von den frühen Jägern? So gut wie gar nichts. Der Sammler geht auf Pirsch, sucht fieberhaft das Objekt seiner Begierde (dafür ist er Tage, Monate, oder gar Jahre auf der Suche), findet und erspäht es, verfolgt es völlig versteckt, beobachtet es von allen Seiten. Dabei bekommt er Herzklopfen, sein Blut pocht in seinen Adern, seine ganze Aufmerksamkeit und Konzentration ist vollständig auf das zu jagende Objekt gerichtet; alle anderen Tätigkeiten seines täglichen Lebens, sogar seine Frau und Kinder verschwinden aus seinem Gehirn. Sein Puls steigt, womöglich auch sein Blutdruck, sein Gesicht rötet sich. Er ist jetzt in der kritischen Phase des Jagens. Wird es gelingen, das Objekt der Begierde zu erlegen und zu sich nach Hause zu schleppen?

Also, der Sammler geht an das zu erlegende (besser wäre zu schreiben: zu erwerbende) Objekt ganz wie der frühe, Tiere jagende Mensch. Es gibt nur zwei unwichtige, kleine Unterschiede zu den frühen Jägern: a) das Gejagte wird nicht auf einem Lagerfeuer gebrutzelt und verspeist, sondern als Trophäe irgendwo aufbewahrt, um es entweder vor den anderen Sammlern zu verstecken oder, genau umgekehrt, ganz stolz anderen zu zeigen, und dadurch Neid und Bewunderung wecken. Und b) der Jäger geht völlig alleine, nicht in Rudel mit anderen Männern seines Familienclans, auf Pirsch. Er ist vollkommen auf sich gestellt. Gelingen oder Nichtgelingen des Vorhabens hängen nur von seiner Erfahrung und seinem Geschick beim Austricksen anderer Jäger, die ebenso wie er ein Auge auf „sein“ Objekt geworfen haben, und von der Schärfe seiner Jagdwaffe (sprich: von der Dicke seiner Geldbörse) ab.

Ist das Jagen erfolgreich erledigt und hat man das Objekt der Begierde eingeheimst, sollte jetzt das eigentliche Sammeln beginnen. Der Sammler fühlt sich glücklich, bereichert, erhaben, da seine Sammlung jetzt um ein Stück reicher geworden ist. Das gute Stück bekommt einen bevorzugten Platz in der Reihe der anderen gesammelten Objekte, wird bewundert und getätschelt, wenn nötig gereinigt und auf Hochglanz poliert, wenn nötig auch repariert und komplettiert, schließlich fotografiert und katalogisiert, also zu einem würdigen Mitglied der Sammlung erhoben. Und damit verschwindet das Erlegte aus dem Fokus des jagenden Sammlers! Ist das Gejagte erfolgreich nach Hause gebracht, verliert es bald die Aufmerksamkeit des Sammlers. Sein Inneres drängt unaufhörlich und unermüdlich auf das Jagen eines weiteren Objekts. Und das ganze Procedere beginnt wieder von neuem…

Wenn man das Ganze nüchtern betrachtet, ist der Sammler aus Passion vorrangig ein Jäger. Das Jagen zieht ihn magisch an. Das zu jagende ist in dieser Phase unbeschreiblich wertvoll und total begehrenswert. Der Sammler setzt seine ganze Energie darauf ein, um das Objekt der Begierde zu bekommen. Ist es endlich gelungen, dieses wunderbare, wahnsinnig interessante, einmalige Objekt zu ergattern, verliert es sehr rasch an Wert. Gibt es nicht irgendwo anders noch schönere, noch seltenere, noch wertvollere Objekte, die in der Sammlung fehlen? Er geht erneut auf Pirsch; das Jagen geht wieder von vorne los…

Die nicht enden wollende Jagdlust des Sammlers aus Passion erinnert mich an zwei sagenhafte Gestalten der Geschichte, die auch unermüdlich, immer wieder von neuem gejagt haben, und zwar nach Frauen: Casanova und Don Juan. Während der erstere hübsche, begehrenswerte Frauen nicht nur gejagt, sondern angeblich auch geliebt hat, ist der letztere dadurch berühmt geworden, dass er mit fast krankhafter Energie nach Frauen gejagt hat, um sie nur einmal zu besitzen. War die holde Dame seiner Begierde endlich seinem heftigen Werben erlegen und gewährte ihm ihre Gunst, war sie schon nach der Schäferstunde gleich vergessen. Don Juan ging sofort wieder mit seiner ganzen Energie daran, eine andere Schönheit zu betören, bis auch sie in seinen Armen hinsank. Und das Ganze ging wieder sofort von vorne los… Don Juan jagte also nicht Frauen, um sie zu sammeln. Sein Sammelgebiet waren die Schäferstündchen, allerdings ganz streng mit jeweils anderen Frauen. Niemals mit der gleichen Frau zweimal, egal wie betörend schön und sexy sie auch war.

Hier ähnelt der moderne Sammler eher einem Don Juan. Sobald er das Objekt seiner Begierde bekommen hat, fängt er an, nach etwas anderem Ausschau zu halten. Er ist ständig auf der Suche, wie gesagt, auf der Jagd, und immer nach unterschiedlichen Sammelstücken. Etwas muss man allerdings dem Sammler heutiger Tage zu Gute halten: Er „verscherbelt“ seine fiebrig gejagten und erfolgreich erlegten Sammelstücke nicht sofort wieder. Er hält sie in einer geeigneten Stelle, am Anfang in einem exponierten, ranghohen Platz, später irgendwo in der übrigen Sammlung; aber er hält sie doch in Ehren.

Ich hoffe, ich habe das Paradoxon, dass der heutige Sammler eher ein Jäger ist, um zu sammeln, und auch ein Sammler ist, um zu jagen, einigermaßen erläutern können.