© Arto Hanciogullari und T. Tsekyi Thür

Die Erfindung von Argands Öllampe

Einem Schweizer Chemiker, François Pierre Ami Argand (1750-1803), ist es um 1783 in Paris gelungen, durch eine wesentlich höhere Luftzufuhr zur Flamme deren Brennleistung erheblich zu verbessern. Er hat das Prinzip der besseren Verbrennung durch die „doppelte Luftzufuhr“ an den Docht von außen wie von innen erkannt und konsequent genutzt. Dazu hat er den noch recht schmalen Flachdocht, der vor wenigen Jahren von einem Franzosen namens Léger* entwickelt worden war, zu einem breiten, schlauchartigen, hohlen Docht umgeformt und an einem metallenen Rohr beweglich angebracht. Die simple Flamme eines herkömmlichen Dochtes änderte er somit zu einer breiteren, hohlen, zylindrischen Flamme. Damit konnte er nicht nur die Fläche des zu brennenden Dochtes erheblich erweitern, sondern von unten eine zusätzliche Luftmenge durch den Innenteil des schlauchförmigen Dochts einleiten.

* Anmerkung: Das Datum der Erfindung des Flachdochts durch Léger wird in der Literatur unterschiedlich angegeben. Bernard Mahot gibt als Datum 1766 an (Buch: Les lampes à huile; Seite 140); bei Anton Kaim ist es 1773 (Buch: The Evolution of the Kerosene Mantle Burner, zweite Auflage; Seite 11) und schließlich bei Dr. Werner Touché ist es 1783 (Buch: Leuchtende Vergangenheit, zweite Auflage; Seite 69). Ich wählte daraus die Angabe von Anton Kaim (1773) als die Wahrscheinlichere an, da sie von einer Museumsveröffentlichung in Arnheim (Niederlande) entnommen ist.

 


Argands neuartiger Ölbrenner
Links: Die schlauchartige, hohle Flamme des Brenners als Skizze
Mitte: Schematische Darstellung des Brenners mit den Luftströmen
Rechts: Argands verbesserte Öllampe (Kupferstich aus „Journal des Luxus und der Moden" von 1788; nur 5 Jahre nach Argands Erfindung)

 

Die Flamme bekam somit eine doppelte Luftzufuhr, eine von außen der Flamme durch die umgebende Luft, und eine von innen der Flamme, durch das nach unten hin offene Dochtrohr. Um den Effekt der Luftzufuhr noch weiter zu verbessern, hat Ami Argand auch die zweite geniale Erfindung gemacht, nämlich die Verwendung des zylinderförmigen Kamins, eines gläsernen Zylinders, über der Flamme. Ein aufgesetzter Zylinder erzeugt eine kräftige Luftbewegung nach oben, ähnlich zu einem Kamin, da die durch die Flamme stark erhitzte Luft sofort nach oben steigt.

Ein Franzose namens L’Ange** (oder Lange, wie manchmal geschrieben wird) konnte den schlichten Glaszylinder noch verbessern, indem er das Glas ab der Höhe der Flamme enger gestaltete („Knick-Zylinder“; siehe Kapitel Knick-Zylinder). Damit war der äußere Luftzug an der Flamme noch kräftiger. Mit diesen zwei Erfindungen, nämlich des schlauchförmigen Dochtes in einem besonderen Brenner, der Luft von unten einziehen kann, und des Zylinders oberhalb der Flamme, der einen kräftigen Luftzug nach oben bewirkt, konnte Argand die jahrtausendealte künstliche Beleuchtung des Menschen regelrecht revolutionieren. Er verhalf der Flamme der Öllampe zu einer weit besseren Verbrennung und damit zu einer viel höheren Helligkeit! Sein Brenner erlaubte sogar die Höhe und damit die Helligkeit der Flamme beliebig zu verändern durch die Bewegung des Dochts nach oben oder unten mittels eines Hebels, was bis dahin nur umständlich durch manuelles Herausziehen des Dochtendes geschah.

** Anmerkung: L’Ange war einer der Kontrahenten von Ami Argand. Zwei Bekannte von ihm, die Franzosen L’Ange und Quinquet, hatten nämlich in Frankreich versucht, seine großartige Erfindung unter ihrem eigenen Namen zu vermarkten, nachdem Argand 1784 nach Großbritannien gereist war, um dort Geschäftspartner und Produzenten für seine Lampe zu finden. Er bekam dort auch sofort ein Patent für seine Erfindung. Zurückgekehrt nach Frankreich musste Argand lange gegen seine zwei Kontrahenten prozessieren. Endlich wurde er als der eigentliche Erfinder anerkannt. Das darauffolgende Patent von 1787 musste er allerdings mit L’Ange teilen, da die Erfindung des besseren, geknickten Glaszylinders diesem Letzteren zugesprochen wurde. Zur Ironie der Geschichte: Quinquet als der zweite Kontrahent, der eigentlich überhaupt nichts zu diesen Erfindungen beigetragen hatte, lebt heute noch als Namensgeber für Schiebelampen, die in Frankreich bis heute „Quinquet“ heißen (Aussprache: känkeh).  

 

Links: Eine einfache Argand-Lampe von ca. 1790 mit geradem Zylinder
Mitte: Der Brenner einer franz. Schiebelampe („quinquet“) ohne Glaszylinder
Rechts: Der gleiche Brenner mit aufgesetztem Knick-Zylinder
(Alle drei Fotos von Ara Kebapcioglu, Paris)

Argands Öllampe machte regelrecht Furore. In kürzester Zeit wurden viele Lampen mit seinem speziellen Brenner in Frankreich und Großbritannien hergestellt. Freilich waren diese Lampen teure, kunsthandwerklich aufwändig dekorierte Prestige-Objekte, die sich nur wohlhabende Haushalte erlauben konnten.

 

Spätere Verbesserungen

Alle fetten Öle (pflanzliche wie tierische) haben einen Nachteil: sie sind nicht sehr dünnflüssig und steigen relativ träge durch den Docht nach oben; technisch ausgedrückt: ihre Kriech- und Fließgeschwindigkeit durch die Kapillaren des Dochts (das sind die engen Hohlräume zwischen den Gewebefäden) nach oben ist ziemlich bescheiden. So lange man das brennende Dochtende unmittelbar auf der Öloberfläche hielt, wie das Tausende von Jahren in den primitiven Öllampen mehr oder weniger geschah, gab es genügend Öl am Dochtende zu verbrennen. Die neuartigen Öllampen nach Argand’schem Prinzip erlaubten es jedoch nicht, dass die Flamme immer unmittelbar auf der Öloberfläche schwamm. Das Öl verbrannte in einem besonderen, fest angebrachten Brenner, und das brennende Dochtende war von dem Öl einigermaßen entfernt. Insbesondere dann, wenn die Ölmenge im Behälter unterhalb des Brenners infolge des Brennvorgangs immer weniger wurde, stieg immer weniger Öl durch die Kapillaren des Dochts nach oben; und die Flamme wurde immer schwächer.

Daher hat man schon früh versucht, die Ölzufuhr nach oben zum brennenden Docht durch unterschiedliche Methoden zu verbessern. Einer der erfolgreichsten war der französische Uhrmacher Guillaume Carcel (1750-1812), der um 1800 eine Kolbenpumpe entwickelte, die angetrieben durch eine Federuhr, das Öl ständig nach oben beförderte. Die Ölmenge, die zu viel am Docht ankam, floss wieder zurück zum Behälter. Carcel-Lampen wurden ziemlich lange hergestellt, obwohl sie sehr teuer und ziemlich reparaturanfällig waren.

Am erfolgreichsten war jedoch Charles Louis Felix Franchot (1809-1881), ein französischer Mechaniker, der 1836 in Paris ein kompliziertes System erfand, das aus einem flexiblen Lederkolben, einer Spiralfeder, die Druck auf diesen Kolben ausübt, und einem speziell ausgestatteten teleskopischen Rohr, wodurch das Öl nach oben zum Docht fließt, bestand (für die Arbeitsweise seiner Erfindung siehe Unterscheidung der Petroleumlampen von Modérateur-Öllampen). Die geniale Seite seiner Erfindung lag darin, dass ein dünner, konisch verlaufender Stift im Rohr es gestattete, dass immer dieselbe Menge Öl nach oben floss, unabhängig von dem sich verändernden Druck der verbliebenen Ölmenge unterhalb des Lederkolbens im Reservoir. Das ergab eine immer gleichbleibende Ölmenge, die unmittelbar zum Verbrennen am Docht zur Verfügung stand. Dafür musste man die Feder, die den Druck ausübte, nach einigen Stunden mit einem Schlüssel nachziehen. Diese Öllampen nannte man Modérateur-Lampen (lampe à modérateur im Französischen), da der dünne Stift (der übrigens „modérateur“ hieß und diesen Lampen die Bezeichnung verlieh) es gestattete, die Ölmenge oben am Dochtende zu „moderieren“, also zu mäßigen. Diese Lampen stellten den Gipfel der Verbesserungen an den Öllampen dar, und wurden einige Jahrzehnte, auch nach dem Aufkommen von Petroleum-Lampen, noch vorwiegend in Frankreich in großen Mengen hergestellt.

 

Der Brenner einer Modérateur-Öllampe
Links: Brenner ohne aufgesetzte Ziermanchette und Glaszylinder
Mitte: Brenner mit der Ziermanchette und Knick-Zylinder
Rechts: Brenner mit Flamme
(Alle drei Fotos von Ara Kebapcioglu, Paris)

 

Nun, sowohl die Argand’schen Lampen, als auch die Carcel- und Modérateur-Lampen, sind keine Petroleum-Lampen, sondern richtige Öllampen, da sie einzig und allein der Verbrennung von pflanzlichen Ölen (wie Rapsöl oder Olivenöl) dienen, wenn auch in wesentlich verbesserter Form.