© Arto Hanciogullari und T. Tsekyi Thür

Der Rundbrenner

Rundbrenner benutzen einen „runden“ Docht anstatt eines flachen Dochtes, würde man logischerweise denken. Die Antwort ist ja und nein. Diese Art von Brenner benutzt auch einen flachen Docht, der jedoch im oberen Teil des Brenners zu einem hohlen, runden Docht gefaltet wird. Aus einem wesentlich breiteren, flachen Docht macht man somit innerhalb des Brenners einen Runddocht. Der Grund zu dieser Formgestaltung liegt daran, dass man die Lichtausbeute der Flachbrenner noch mehr erhöhen wollte, aber der Brenner mit der notwendigerweise wesentlich größeren Dochtbreite zu groß und unhandlich werden würde. Außerdem ermöglichte der Runddocht die zusätzliche Luftzufuhr an die Innenseite der Flamme (siehe Argands Öllampe). Damit hatten die Rundbrenner die erwünschte höhere Lichtausbeute gegenüber dem einfachen Flachbrenner, ohne den Brenner viel größer konstruieren zu müssen. Ungefähr 10 Jahre nach der Markteinführung des Flachbrenners wurde 1865 der erste Rundbrenner mit dieser neuartigen Dochtrundung im Brenner selbst von der Berliner Firma Wild & Wessel vorgestellt (siehe unten, Der Kosmos-Brenner).

Mit dieser Idee begann dann der Siegeszug der Rundbrenner, die die bis dahin üblichen Flachbrenner allmählich vom Markt verdrängt haben. Dies geschah jedoch nur auf dem europäischen Kontinent. Großbritannien blieb nämlich den Duplex-Flachbrennern, die erstaunlicherweise auch 1865 auf den Markt kamen, für immer treu. In USA herrschten noch lange die Flachbrenner.

Der Rundbrenner unterscheidet sich im Aussehen sehr wesentlich vom Flachbrenner. Die Wände des Brenner-Korbs sind hier sehr oft nach außen gewölbt, also konvex, obwohl es auch Rundbrenner gibt, die die konkave Korbform des Flachbrenners beibehalten haben. Auch hier gibt es oben am Korb die Galerie mit den leicht biegbaren Zacken. Der Korb ist mehrfach ornamental durchlöchert bzw. geschlitzt, um die Luftzufuhr zum Innern des Brenners zu gewährleisten. Korb und Galerie sind sehr oft eine Einheit, da die beiden Teile maschinell fest zusammengefügt wurden. Normalerweise sind sie vom Rest des Brenners durch Abschrauben entfernbar. Eine Kappe wie bei den Flachbrennern besitzt der Rundbrenner nicht.

Das eigentlich wesentliche Teil des Rundbrenners ist das runde Brandrohr, in dem der Flachdocht nach oben steigt und dabei gerundet wird, um am oberen Ende einen vollständig schlauchförmigen Docht zu bilden. Das Brandrohr besteht aus zwei konzentrisch  ineinander gesteckten konischen Rohren, die sich nach oben hin leicht verjüngen. Zwischen der äußeren und inneren Wand befindet sich der Docht, der mit einem Dochtrad nach oben oder nach unten bewegt werden kann. Die Dochtbreite und der obere Durchmesser des Brandrohrs sind aufeinander so abgestimmt, dass die beiden Dochtkanten oben zusammenstoßen und einen Schlauch ohne einen Leerraum zwischen den Dochtkanten bilden. Durch die größere, oft dreieckig geformte Öffnung am unteren Teil gelangt Luft in das Innere des Brandrohrs und strömt nach oben, um die Flamme von innen ausreichend mit Luft zu versorgen. Am unteren Ende des Brandrohrs befindet sich der Dochtrad-Ring, der oben und unten mit Gewinden bestückt ist (oben das Korb-Gewinde, um den Korb daran zu schrauben, und unten das Brenner-Gewinde, mit dem man den Brenner in den Vasenring einschraubt).

 

Ein Rundbrenner mit seinen Teilen (hier 14‘‘‘ Kosmos-Brenner von Wild & Wessel)

 

Erklärung zum Foto:

1 Brenner-Gewinde
2 Dochtrad-Ring
3 Dochtrad
5 Brenner-Korb
6 Brenner-Galerie
7 Brandrohr
8 Öffnung am Brandrohr zum seitlichen Lufteinlass
10 Deflektor

 

Der Korb und die Galerie umfassen das Brandrohr; sie sind unten darauf eingeschraubt. Das ist im Grunde genommen ein simples Gebilde, das in dieser einfachen Ausprägung dem Petroleumlampen-Rundbrenner eigen ist. Eine von außen nicht gleich wahrnehmbare Abweichung von dieser Konstruktion ist bei den Zentralluftzug-Brennern gegeben, die anstatt zwei konisch nach oben verjüngenden Rohren zwei streng zylindrische Rohre haben, von denen das innere nicht der Bestandteil des Brenners, sondern des Petroleumtanks ist. Die Beschreibung dieser Art von Brennern erfolgt im Kapitel Petroleumbrenner – Brenner mit Zentralluftzug.

Unter den Petroleum-Rundbrennern muss man drei Haupttypen unterscheiden:
a) Kosmos-Brenner ohne Flammscheibe und mit seitlichem Luftzug.
b) Flammscheiben-Brenner mit einer Flammscheibe und mit seitlichem Luftzug.
c) Flammscheiben-Brenner mit einer Flammscheibe und mit zentralem Luftzug.

 

Der Kosmos-Brenner

Die Brenner des ersten Typs ohne eine Flammscheibe heißen allgemein Kosmos-Brenner, so genannt von ihren Erfindern, der Firma Wild & Wessel in Berlin. Der Kosmos-Brenner ist der bekannteste und mit Abstand am meisten hergestellte Rund-Brenner überhaupt. Die Produzenten Emil Wild und Wilhelm Wessel haben nach ihren Lehrjahren in Frankreich eine Firma in Berlin gegründet und um 1865 den ersten Rundbrenner entwickelt und vorgestellt. Dieser Brenner war der erste, der durch seine spezielle Konstruktion den normalen, von unten eingeführten flachen Docht oben in dem Brandrohr zu einem Runddocht bog. Seine Erfinder nannten diesen Brenner „Rundflachdocht-Brenner“.

Zur Klarstellung: Schon Argand hatte ja viel früher einen Brenner konstruiert, der einen röhrenförmig runden Docht verwendete, um die Luftzufuhr von unten zu ermöglichen. Bei ihm war der Docht aber von Anfang an rund geflochten (bzw. zu einer röhrenförmigen Docht zusammengenäht; genauer weiß ich nicht), wurde also nicht im Brenner rund gebogen. Außerdem mussten die Ölbrenner von Argand mit speziell konstruierten Ölreservoirs verwendet werden, die an der Lampe seitlich angebracht waren und über ein fest angebrachtes Rohr die Ölzufuhr in den Brenner gestatteten. Diese Anordnung des separaten Ölreservoirs war notwendig, um dem Brenner die Öffnung nach unten für die erfindungsmäßige Luftzufuhr in die Mitte der Flamme zu gewährleisten. Dadurch waren solche Brenner fest mit dem in aller Regel metallischen Ölreservoir verbunden und konnten nicht ausgetauscht werden. Sie waren sozusagen ein integraler Teil der Gesamtlampe.

Die geniale Erfindung von Wild und Wessel ermöglichte dagegen die Verwendung eines beliebigen, günstig hergestellten, aber in der Breite passenden Flachdochtes, der erst im oberen Teil des Brenners zu einem Runddocht geformt wurde. Das gab es bis dahin nicht! Und diese Brenner brauchten auch keine speziellen Petroleumtanks mit einer dezidierten Öffnung nach unten, denn sie ermöglichten die innere Luftzufuhr durch eine größere, dreieckige Öffnung seitlich des Brandrohrs. Dadurch konnte der Rundbrenner von Wild & Wessel an jedem beliebigen Petroleumtank aus Glas, Metall oder Keramik eingesetzt werden. Diese seitliche Luftzufuhr eröffnete ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten bei den Petroleumlampen. In englischsprachigen Ländern wird der seitliche Luftzug „side-draft“ genannt, im Gegensatz zu zentralem Luftzug, der dann „center-draft“ tituliert wird.

 

Schematischer Vergleich zwischen Argands-Ölbrenner und Kosmos-Brenner
Links: Argands Ölbrenner mit zentralem Luftzug von unten
Rechts: Kosmos-Rundbrenner von Wild & Wessel mit seitlichem Luftzug

 

Die ersten Rundbrenner von Wild & Wessel hatten unten einen halbmondförmigen Schlitz, um den Docht einzuführen. Dieser Schlitz war nicht ganz kreisrund, sondern in der Mitte etwas geradlinig, denn der Brenner besaß eine lange Walze, an der zwei breite Zahnräder befestigt waren, um den Docht hoch und runter zu bewegen. Der Mechanismus war etwas schwerfällig, und die Walze mit zwei breiten Zahnrädern beeinträchtigte den Petroleumtransport nach oben an den Stellen, wo die Walze Druck auf den Docht ausübte. Eine konsequente Verbesserung ergab sich, als man anstatt der breiten Walze zwei gegenüber liegende, schmalere Zahnräder einführte. Dies geschah wohl um 1869. Ein Jahr später, insgesamt 5 Jahre nach der Markeinführung ihres ersten Rundbrenners haben Wild und Wessel ihren Brenner nochmal verbessert, indem sie ihn mit zwei doppelten Zahnrädern zur Bewegung des Dochts ausgestattet haben. Jetzt griffen 4 Einzelräder in den Docht, um die Bewegung des Dochts gleichmäßiger und leichter zu bewerkstelligen. Sie haben diese endgültig verbesserte Form Kosmos-Brenner getauft.

 

Der Dochttrieb bei dem Kosmos-Brenner von Wild & Wessel
Links: Die allererste Version mit der breiten Walze zum Dochttrieb (= Ur-Kosmos)
Rechts: Die endgültig verbesserte Version mit zwei Doppelzahnrädern

 

Wild und Wessel konnten am Anfang zu ihrem Unglück kein Patent in Deutschland erlangen (kurioserweise bekamen sie ihr Patent in Frankreich und Großbritannien gleich anerkannt). Somit war diese geniale Erfindung zu allen Brenner-Herstellern in Deutschland frei zugänglich, die diesen Brenner nicht nur technisch kopierten, sondern ihn auch weiterhin „Kosmos-Brenner“ nannten. Man hat diesen Brennertyp jahrzehntelang (im Grunde genommen bis heute) millionenfach hergestellt. Deshalb ist er heute der am meisten verbreitete Petroleumbrenner (wie gesagt, nur auf dem europäischen Kontinent; Briten haben nach wie vor ihren Duplex-Brenner erzeugt; die US-Amerikaner sind sehr lange bei dem einfachen Flachbrenner geblieben und haben später zu Flammscheiben-Brennern mit zentralem Luftzug gewechselt).

Der Ur-Kosmos-Brenner hatte am Anfang eine Galerie, die vom Korb durch Abschrauben abgenommen werden konnte. Dafür war der Korb unten fest am Dochtrad-Ring angebracht. Nach der Verbesserung der Dochtführung gab es dann doch zwei unterschiedliche Kosmos-Brenner. Der erstere war quasi die Weiterführung des Ur-Kosmos-Brenners mit abschraubbarer Galerie, mit fest angebrachtem, konkavem Korb aber jetzt mit den vier Zahnrädern. Diese Version haben die Erfinder Kosmos-Normal-Brenner genannt. Dieser Typus wurde noch einige Zeit weitergebaut. Der zweite Brenner hat dagegen die heute sehr bekannte Form mit dem konvexen Korb, der mit der Galerie zusammen eine Einheit bildet und als solche am Brandrohr angeschraubt wird. Diese Version hat man schlicht Kosmos-Brenner genannt.

Eine Besonderheit von allen Brennern von Wild & Wessel ist das typische Zierkordel-Muster auf den Rückseiten der Dochträder. Ab wann dieses Muster eingeführt worden ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Dieses Muster haben Wild und Wessel auch dann eingeprägt, wenn der Brenner für einen Händler bestimmt war und daher kein übliches W&W-Logo auf der Vorderseite zeigte. In meiner Sammlung gibt es allerdings auch Brenner, die eindeutig von W&W herrühren, aber weder W&W-Logo auf der Vorderseite, noch das Zierkordel-Muster auf der Rückseite tragen.

 

Die Evolution des Kosmos-Brenners von W&W (Obere Reihe: Brennerteile getrennt – Untere Reihe: Brenner komplettiert)
Von links: Die erste Version des Kosmos-Brenners mit konkavem Korb; die Dochtrad-Achse geht aus dem Korb raus; Korb fest am Brandrohr angebracht; Galerie vom Korb abschraubbar.
Der Kosmos-Normal-Brenner mit dem gleichen konkaven Korb; die Dochtrad-Achse geht aber vom Dochtrad-Ring raus; sonstige Konstruktion analog zum Ur-Kosmos.
Der herkömmliche Kosmos-Brenner mit dem typischen, konvexen Korb; Korb und Galerie nicht trennbar; sie können gemeinsam vom Brandrohr abgeschraubt werden.
Typische Logos von Dochträdern und das Muster der Zierkordel auf der Rückseite des Dochtrades.

 

Nach dem ganz großen Markterfolg der Kosmos-Brenner haben fast alle Brenner-Hersteller diese Art von Brennern in ihr Programm aufgenommen. Es gab dabei qualitativ sehr unterschiedliche Produkte; für jedes Geldbudget gab es den geeigneten Kosmos-Brenner. Die Firma Gaudard in Morbier, Frankreich, stellt heute noch qualitativ hochwertige Kosmos-Brenner bis zu 14 Linien.

Einige Kosmos-Brenner haben auch überraschende Besonderheiten aufzuweisen: Der 14‘‘‘ Kosmos-Brenner von Maris & Besnard, Paris, hat ein Brenner-Gewinde von 35,8 mm anstatt wie üblich 39,5 mm. Es gibt 12-linige Kosmos-Brenner, deren Galerie für 14-linige Kosmos-Zylinder ausgelegt ist. Analog dazu gibt es auch 10-linige Kosmos-Brenner, die einen 12-linigen Zylinder aufnehmen.

R. Ditmar in Wien hat ab 1870’er Jahren auch Kosmos-Brenner in seinem Programm gehabt, die anstelle eines normalen Flachdochtes einen weichen Saugdocht und einen Brenndocht hatten und „Patent-Saugdocht-Rundbrenner“ genannt wurden. Dieses 2-Dochtarten-Konzept hatte R. Ditmar auch bei seinen weltberühmten Sonnenbrennern realisiert.

Eine ganz interessante Entwicklung war der ADA-Brenner von A. Daveluy in Frankreich. Dieser Kosmos-Brenner konnte man auch als einen Flammscheiben-Brenner verwenden, wenn man den separat erhältlichen, speziellen Deflektor am Brandrohr installierte und die entsprechende Flammscheibe aufsetzte. Man musste allerdings auch den Glaszylinder entsprechend wechseln.

 

Beispiele für Kosmos-Brenner und ihre Dochträder
Von links: 6‘‘‘ Victor-Brenner (versilbert), Plume & Atwood, USA
10‘‘‘ Kosmos-Brenner, Brökelmann, Jaeger & Busse, Neheim, für den chinesischen Markt
14‘‘‘ ADA-Brenner, A. Daveluy, Frankreich, hier als Kosmos-Brenner
14‘‘‘ Patent-Saugdocht-Brenner, R. Ditmar, Wien
18‘‘‘ Kosmos-Brenner, Wild & Wessel, Berlin

 

 

Der Reform-Kosmos-Brenner

Der Kosmos-Brenner bekam später eine weiter entwickelte Form der inneren Luftzufuhr, wodurch eine nochmal verbesserte Helligkeit der Flamme erzielt werden sollte. Die Erfinder waren Schuster & Baer in Berlin, die diesen Brenner unter der Bezeichnung Patent-Reform-Kosmos-Brenner zum Patent gemeldet haben. Der Unterschied dieses Brenners zu den herkömmlichen Kosmos-Brennern besteht darin, dass er mitten in seinem Brandrohr ein drittes, schmales Rohr trägt, und an seinem Dochtrad-Ring mehrere kleine Öffnungen aufweist. Durch diese Löcher wird nun ein weiterer, ein dritter Luftstrom von außen in dieses schmale, mittlere Rohr geleitet. Durch die Anbringung von weiteren Öffnungen zusätzlich zu denen, die sich am Korb befinden, hat man die Möglichkeit geschaffen, dass noch mehr Luft in das Innere des Brandrohrs strömen kann. Die Flamme bekommt damit eine zusätzliche Luftzufuhr im Innern, die eine noch hellere Flamme erzeugen soll. Ob diese Neuentwicklung tatsächlich zu einer merklichen Verbesserung der Flammenhelligkeit beigetragen hat, ist dahingestellt. Solche damals als sehr innovativ propagierten Erfindungen waren sicherlich viel eher dazu geeignet, mehr Marktanteile zu erobern.

 

Die dritte Luftzufuhr bei Reform-Kosmos-Brennern
Links: Der normale Kosmos-Brenner mit den zwei Luftstömen
Rechts: Der Reform-Kosmos-Brenner mit der zusätzlichen, dritten Luftzufuhr

 

Aufgrund dieses schmalen, inneren Rohrs und der vielen kleinen Löcher am Dochtrad-Ring kann man den Reform-Kosmos-Brenner von normalen Kosmos-Brennern sehr leicht unterscheiden. Kleinere Reform-Kosmos-Brenner besitzen dieses schmale, innere Rohr nicht. Die Extraluft aus den kleinen Löchern wird dann direkt in das Brandrohr geleitet.

 

Zwei Arten von Reform-Kosmos-Brennern
Links: Brenner mit dem schmalen Rohr im Brandrohr (hier: 14‘‘‘ Patent-Reform-Rund-Brenner von Schuster & Baer, Berlin)
Rechts: Brenner ohne das schmale Rohr im Brandrohr (hier: 10‘‘‘ Reform-Kosmos-Brenner von Bünte & Remmler, Frankfurt)